USA: Weshalb die Staatspleite nicht stattfindet
Posted
on August 8, 2011 by ziessler
„Dann machen wir
eben ein kleines Bankeröttchen“, sagt kichernd der Bankier Kesselmeyer in den
Buddenbrooks.—Nun unterliegt ein Konkurs, im Gegensatz zu dem, was der Bankier
mit der Verwendung des Wortes „machen“ anzudeuten scheint, aber nicht etwa der
Entscheidung des betroffenen Unternehmers, sondern er ist bloß die öffentliche
Erklärung einer objektiv feststellbaren Tatsache, nämlich der Zahlungsunfähigkeit
des Unternehmens (im Roman geht es um Bendix Grünlich, den Heiratsschwindler,
der mithilfe gefälschter Bilanzen die Heirat mit Tony Buddenbrook erreicht
hatte).
Dieser rein
deklaratorische Akt –deshalb spricht man auch von „Konkurserklärung“—ist von
der Sache her nichts anderes als das Schalten einer Todes- oder Heiratsanzeige
in der Zeitung: Das erklärte Ereignis ist immer schon eingetreten; es ist
unumkehrbar und wird nur nachträglich durch Erklärung bekanntgemacht. Anders
als die Heiratsanzeige ist allerdings die Konkurserklärung gesetzlich
vorgeschrieben: Sie hat zu erfolgen, wenn der Konkursfall eingetreten ist—zum
Schutz gegenwärtiger und etwaiger zukünftiger Gläubiger. Tatsächlich läuft
dieser Schutz meistens ins Leere, da es in der Regel gerade die Kreditgeber
sind, die schon lange vorher von den Zahlungsschwierigkeiten wissen.
Abwenden lässt
sich der Konkurs nur VOR seinem Eintritt—und zwar dadurch, dass man irgendwen
findet, der aus irgendwelchen Gründen bereit ist, einem soviel Geld zu geben,
dass die Zahlungsfähigkeit erhalten bleibt. So fragt der alte Buddenbrook seine
Tochter Tony, ob sie ihren Mann Bendix Grünlich wirklich liebe; in diesem Fall
sei er möglicherweise dazu zu bewegen, den drohenden Konkurs durch eine
Finanzspritze zu verhindern. Bei der Frage, ob ein Konkurs noch aufzuhalten
ist, ist also immer der Langmut anderer Menschen entscheidend—es sei denn, der
pleitebedrohte Unternehmer gibt sich in einem Akt der Verzweiflung dazu her,
sagen wir, eine Bank zu überfallen.
So jedenfalls die
Situation eines Kaufmannes, der derart in der Bredouille steckt. Anders sieht
die Sache aus bei einem Staat, dessen baldige Zahlungsunfähigkeit sich
abzeichnet, oder, richtiger gesagt, dessen Politiker von einer drohenden
Staatspleite faseln. Der Ausdruck „faseln“ ist bewusst gewählt; denn die Rede
vom angeblich bevorstehenden Staatsbankrott ist nichts als eine politisch
opportune Lüge zur Verschleierung der Tatsache, dass der Staat sich von der
Bevölkerung jederzeit nehmen kann, was er will. Er verfügt nämlich in Wahrheit
–und im Gegensatz zum Unternehmer—über die Mittel, die Zahlungsunfähigkeit aus
eigener Entscheidung und auf rechtmäßige Art und Weise abzuwenden. Als Inhaber
des Gewaltmonopols hat er sogar mehrere Möglichkeiten: Er kann die Steuern
erhöhen, die er als ultima ratio mithilfe seiner monopolisierten Waffengewalt
von der arbeitenden Bevölkerung eintreibt; er kann außerdem weitere
Enteignungen in beliebigem Ausmaß vornehmen; und als Währungsmonopolist kann er
das Geld einfach drucken lassen. Letzteres wird gemeinhin bewerkstelligt, indem
die nominell unabhängige Zentralbank in großem Stil Staatsanleihen kauft—ein
Vorgang, der im übrigen von der überwiegenden Mehrheit der Wähler nicht als das
erkannt wird, was er ist: eine mehr oder weniger schleichende Geldentwertung.
Etwas verkürzt gesagt, aber der Sache nach durchaus richtig, ist der Staat also
in der Lage, die Bank auf legale Weise zu überfallen, um seine
Zahlungsfähigkeit zu erhalten. Nur dass er es nicht nötig hat, sich eine Maske
überzuziehen, eine Waffe in die Hand zu nehmen und sich in Person in ein
Bankgebäude zu bewegen; das Parlament braucht nur die Schuldengrenze
anzuheben—Steuererhöhungsgesetze und Geldinflationierung können und werden dann
mit einiger Zeitverzögerung folgen.
Das
Schmierentheater, das in dieser Sache während der vergangenen Wochen in
Washington aufgeführt wurde, ist vor allem deshalb so besonders abstoßend, weil
es von den Medien in der ganzen Welt fast ausnahmslos mitgespielt wurde—und
sich die Mehrzahl der Journalisten damit zu Kollaborateuren einer verlogenen
Politikerclique gemacht hat, deren Bestreben es ist, die räuberische Gewalt,
die sie im aufgeblähten Schuldenstaat ständig gegen ihr Wahlvolk ausübt, vor
ebendiesem mit allen Mitteln zu verschleiern.
Aber das Spiel
funktioniert seit Jahrhunderten immer wieder—und so ging denn ein großes
Aufatmen durch die gesamte Presse, als gemeldet werden konnte: Staatspleite der
USA in der letzten Minute abgewendet! Und die meisten amerikanischen Rentner
sind vermutlich sehr erleichtert, dass sie dank der großen Vernunft ihrer
Politiker auch im nächsten Monat ihren Rentenscheck in der Post haben
werden.—Der Bilanzfälscher und Heiratsschwindler Bendix Grünlich –das sei zu
seiner Ehrenrettung gesagt—hat sich gegen den Banküberfall entschieden und
statt dessen ganz wie ein letzten Endes doch noch ehrenwerter Kaufmann den
Konkurs erklärt; woraufhin Tony Buddenbrook dann leider aus Hamburg wieder in
ihr Lübecker Elternhaus zurückkehren musste…