Beizjagd

Bussard beim Landeanflug auf einen Falkner (2005)

Beizjagd auch Falknerei oder Reiherbeize ist das Abrichten, die Pflege und das Jagen mit Hilfe eines Greifvogels. Feder- und Haarwild sind hierbei Ziel der Jagd.

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Begriffe und Vogelarten

Federspiel

Ein Federspiel ist das wichtigste Übungswerkzeug für Greifvögel des hohen Fluges, die gezähmt werden sollen. Ein Falkner setzt diese Beuteattrappe zur Zähmung seines Vogels ein. Man versteht darunter ein Stoff- oder Lederkissen, auf dem beiderseitig Vogelflügel befestigt sein können. Dieser Köder hängt an einer etwa 2 m langen Schnur, die der Falkner über seinem Kopf mehrmals wie ein Lasso kreisen lässt - als Zeichen für den Vogel, dass er zu seinem Falkner zurückkommen soll aber auch, um den Greif zu konditionieren. Zur Belohnung erhält der Vogel ein Fleischstück, welches zuvor am Kopfende des Federspiels befestigt worden ist.

Balg

Analog zum Federspiel dient der Balg als Trainingsgerät für die Jagd auf bodenbewohnendes Wild wie etwa Feldhasen oder Kaninchen. Es handelt sich dabei um ein gefülltes Kissen als Beuteatrappe, welches geschleppt wird.

Jagdvögel

Auch wenn für Falknereischauen oft auch andere Arten zum Einsatz kommen, so wird die Jagd doch meist mit den nachfolgend genannten Arten betrieben. Grundsätzlich lassen sich die einzelnen Arten nur auf ähnliche Beute trainieren, wie sie auch in der Natur gejagt wird. So lassen sich Wanderfalken nicht auf Kaninchen oder andere Bodenbewohner trainieren, sondern nur auf fliegende Beute. Die Größe der bejagten Tiere kann in der Falknerei die Größe der natürlichen Beute jedoch weit übertreffen. So jagen Steinadler in der Natur keine Wölfe, sie werden jedoch (wie oben beschrieben) zur Jagd darauf verwendet, wobei der Adler den Wolf in der Regel nicht tötet sondern nur bindet. Die unterschiedliche Verwendung der einzelnen Geschlechter beruht auf den Größenunterschied zwischen Männchen und Weibchen.

Von den einheimischen Arten (für Deutschland fett markiert) darf jeder Falkner nur maximal zwei Exemplare (insgesamt) halten. Diese Begrenzung gilt nicht für nicht-heimische Arten.

Die einzelnen Arten:

Falkenartige

Gerfalke (Falco rusticolus): Als Universaljäger auch zur Jagd auf Kaninchen verwendbar, hauptsächlich aber Flugwild wie Fasane, Rebhühner und Moorschneehühner, die auch in der Natur ihre Hauptbeute darstellen.

Lannerfalke (Falco biarmicus): Sie eignen sich zur Rebhuhn- und Fasanenjagd.

Sakerfalke (Falco cherrug)(Einheimisch nur als Donausaker in Österreich): Sie werden in Europa zur Jagd auf Rebhühner, Fasanen, Krähen und Enten verwendet. In Asien wird dieser Falke zur Jagd auf Kragentrappen verwendet.

Wanderfalke (Falco peregrinus): Wird für die Jagd auf Vögel bis zur Größe von Enten oder Krähen verwendet.

Neben den genannten Falkenarten gibt es noch Hybriden aus zwei Arten, die für die Jagd verwendet werden. Sie entstehen durch künstliche Befruchtung.

Habichtartige

Habicht (Accipiter gentilis): Eignet sich für alle Arten von Vögeln, von der Taube bis zur Ente, daneben aber auch für die Jagd auf Kaninchen. Weibliche Habichte sind auch für die Jagd auf Feldhasen geeignet, können diesen aber meist nur festhalten und nicht töten.

Sperber (Accipiter nisus) (seltener Beizvogel in Deutschland): Nur die Weibchen sind für die Beizjagd geeignet, ihre Beute sind dabei: Möwen, Tauben, Elstern, Rebhühner und junge Fasane. Die Männchen (Sprinz) wurden früher auch zur Jagd auf Sperlinge verwendet.

Wüstenbussard (Parabuteo unicinctus): Kann wie der einheimische Habicht verwendet werden.

Steinadler (Aquila chrysaetos): In Europa wird er für die Jagd auf Feldhase, Fuchs und Reh verwendet, im Nahen Osten auch auf Antilopen, Gazellen und Schakale und in Zentralasien für die Wolfsjagd (nur die Weibchen).

Eigentliche Eulen [Bearbeiten]

Falknerin mit Uhu im Wild- und Freizeitpark Bodanrück (2006)

Uhu (Bubo bubo)(in Österreich): Der Uhu wird als Tag- und Nachtjäger auch als Beizvogel verwendet. [1]

Ausführung

Jagdziele

Falknerei hat teilweise eine große Bedeutung auf Flughäfen bei der Vertreibung von Vogelschwärmen, da eine Kollision von Flugzeugen mit Vögeln zum Ausfall der Triebwerke führen kann. Ebenso sind chemisch-technische Anlagen durch hier nistende Vögel gefährdet. Als beste Jagdart gilt hierfür die Anwartefalknerei, bei der Greifen des hohen Fluges (vornehmlich Wanderfalken) eingesetzt werden, da diese aus dem Sturzflug heraus jagen. Bei anderen Falkenarten dauert die Ausbildung zur Anwartefalknerei länger und ist schwieriger, da sie nicht auf dem natürlichen Jagdverhalten dieser Greifvögel beruht. Man kann die Anwartefalknerei nur auf Flugwild und dabei auch nur auf solche Vögel betreiben, die sich am Boden, in Büschen oder im Wasser vor Feinden drücken, also bei Anblick von Falke oder Hund unbeweglich verharren. Zu diesen Wildarten zählen zum Beispiel Rebhuhn, Fasan, Wildente und Elster.

Falkner mit Vogel am Trafalgar Square in London, eingesetzt zur Jagd auf Tauben (2009)

Auch zur Jagd auf Kaninchen in Parks und Wohngebieten, wo aus Sicherheitsgründen meist auf Schusswaffengebrauch durch Stadtjäger verzichtet wird, werden mancherorts Falken eingesetzt. Kaninchen werden meist mit Habichten und Wüstenbussarden bejagt, eher selten mit Hierofalken.

Bei der Beizjagd auf Rebhühner und Fasane ist ein guter Vorstehhund unverzichtbar, der das Wild sicher vorstehen (anzeigen) muss. Wenn der Hund also vorsteht, wird dem Falken die Falkenhaube abgenommen und der Falke zum Steigen geworfen. Der Falke ist darauf trainiert, hoch in der Luft (je höher, desto besser, in der Regel 100 bis 200 Meter) genau über dem Falkner anzuwarten. Wenn er nun in einer passenden Position über dem Hund ist, erhält dieser den Befehl einzuspringen und damit das Wild hochzujagen. Der Falke greift sofort an, geht in einen 90 bis 45 Grad Sturzflug über, beschleunigt noch (bis ca. 200 km/h) und legt dabei die Schwingen ganz an den Körper an, bis der Falke fast den Erdboden erreicht hat, dann öffnet er die Schwingen halb, schwingt sich mit unverminderter Geschwindigkeit in die Flugbahn des verfolgten Vogels ein und schlägt ihn mit den Klauen in der Luft. Ein solcher Stoß hat einen sehr hohen Impuls.

Greifvogelschau

Greifvogelschau in Maastricht (2010)

Hauptartikel: Greifvogelschau

Einige Burgen, Freizeitparks und Falknereien bieten Greifvogelschauen an, in der Greifvögel vor Publikum fliegen. Eine solche Schau wird meist von einem Falkner geleitet, den eine Gruppe von Helfern unterstützt.

Geschichte

Entstehung

Die Beizjagd (von mhd. beizen ,beißen machen‘, ,beißen lassen‘) entstand vermutlich vor etwa 3.500 Jahren in Mittelasien. Sie war für die deckungslose Steppe eine zweckmäßige Jagdform.

Ob antike Ägypter die Beizjagd ausübten, ist unklar. In Abydos wurde eine Grabstätte mit einbalsamierten Falken entdeckt. Die Falken-Mumien sind in Leinen eingewickelt und haben in großen, ovalen Tonsarkophagen gelegen, einige von ihnen mit goldverzierten Masken. Auch sind intakte Falkeneier gefunden worden. Die oberste Gottheit war in Ägypten Horus, der Falke. Ein Assyrisches Relief in den Ruinen von Khorsabad aus dem Ende des 8. Jahrhunderts v.Chr. zeigt möglicherweise die Falknerei. Es bildet einen Bogenschützen ab, der einen Greifvogel schießt und einen Helfer, der ihn fängt.[2]

Im 4. Jahrhundert v.Chr. erwähnte Aristoteles (384-322) dann die Falknerei bei den Thrakern und Indern.[3]

Beizjagd in Europa

Westliche Ausbreitung

Um 79 n.Chr. beschreibt Plinius (* 23, † 24. August 79) in seiner Naturalis historia die Beizjagd bei den Thrakern[4] während Griechen und Römer diese offenbar noch nicht ausübten.[5] Sie fingen noch Vögel mit Wurfhölzern, Schlagnetzen oder Leimruten. Die Germanen wurden mit der Beizjagd während der Zeit des 2. bis 4. Jahrhunderts n.Chr. durch Vermittlung der Sarmaten bekannt, im Zuge der östlichen Ausdehnung der Goten. Die Germanen vermittelten ihre Kenntnis den Kelten. Erst der Sohn des römischen Kaisers Avitus, aus dem keltischen Stamm der Arverner soll die Falkenbeize in Rom eingeführt haben. Avitus hatte den König der Westgoten Theoderich I. dazu gebracht, sich gegen die Hunnen zu verbünden, gegen die sie 451 in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern kämpften. Avitus wurde von 455 bis 456 weströmischer Kaiser.[6] 506 wurde die Beizjagd auf der Synode zu Agde in Gallien verboten.

Die Vandalen brachten sie im Verlauf der Völkerwanderung nach Spanien und machten die Völker der westlichen Mittelmeerküste Nordafrikas damit bekannt. Die Beizjagd erfreute sich bei den germanischen Stämmen bald großer Beliebtheit und ist durch germanische Stammesrechte der Franken in der Lex Salica (507-511) mit Bussbestimmungen für den Diebstahl von Beizvögeln und der Lex Ribuaria (613-625), der Langobarden im Edictum Rothari (643), der Bayern im Lex Baiuvariorum und der Burgunden in der Lex Burgundionum bezeugt.

Hochmittelalterliche Blüte

Friedrich II. (1149-1250) mit einem Jagdfalken (Falkenbuch)

Die Beliebtheit der Beizjagd scheint in Europa seit karolingischer Zeit stark nachgelassen zu haben, erst im Rahmen neuer östlicher Kontakte infolge der Kreuzzüge erlebte sie im Hochmittelalter eine neue Blütezeit und entwickelte sich dabei zu einem Privileg und Statussymbol des Adels.

Konradin von Hohenstaufen (1252-1268) bei der Beizjagd (Codex Manesse)

Die Techniken wurden durch Erfahrungsaustausch mit arabischen Falknern erheblich verfeinert. Kaiser Friedrich II., der in Sizilien leichten Zugang zum arabischen Fachwissen auf diesem Gebiet besaß, führte zum Beispiel die Falkenhaube ein, die bis dahin in Europa noch unbekannt war. Sein Falkenbuch De arte venandi cum avibus (wörtl. Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen, veröffentlicht unter Über die Kunst zu beizen) war der erste Traktat dieser Art in der europäischen Literatur. Für Friedrich II. war die Falknerei aufgrund der dafür benötigten Kombination aus Willensstärke und Fürsorge eine ideale Vorübung für die Menschenführung. Der ideale Falkner war für ihn der ideale Herrscher. Seine Erkenntnisse konnte Friedrich II. nicht nur auf arabische Quellen, sondern auch auf jahrelange eigene Beobachtung der in seinem Buch behandelten Tiere stützen.

Absolutismus

In Europa hatte diese prestigeträchtige Jagdform eine neuerliche Hochphase im Absolutismus. Sie ist kostspielig und erfordert eine große Anzahl an sehr gut geschultem Personal. Ein großes Falknerkorps war also ein Zeichen von Reichtum und Macht.

Im 16. Jahrhundert entwickelte sich die Kunst des Fangens und Abrichtens von Falken auch in Brabant. Valkenswaard lag in der Fluglinie der Wanderfalken und wurde zum wichtigsten Zentrum der Falknerei. Die Valkenswaarder Falkner boten ihre abgerichteten Vögel allen europäischen Fürstenhäusern an.

Karl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach unterhielt im 18. Jahrhundert auf seinem Landsitz Triesdorf bei Ansbach mit 51 Mitarbeitern eine der größten Falknereien in ganz Europa. Er beauftragte 1756 den Dekan und Rektor der Gunzenhausener Lateinschule Johann Erhard Pacius mit der Übersetzung des Falkenbuchs Friedrichs II. unter dem Titel Von der Kunst zu beizen; dieser führte den "Befehl" aus, mußte sich jedoch für die Fachsprache der Beizjagd mit den flämischen Falknern am Hof austauschen. Nachdem der DFO 1923 die Falknerei in Deutschland wiederbelebte, wurden die Wortlisten Pacius' teilweise übernommen. So kamen flämische Ausdrücke in die Fachsprache der modernen deutschen Falknerei.[7]

Neuzeit

Falkenbeize in Xanten (Oktober 1960).

Durch Landschaftsveränderungen und die Verbreitung der Flinte wurde die Falknerei zunehmend weniger ausgeübt. Im 19. Jahrhundert ging sie erheblich zurück. Seit dieser Zeit wird sie meist nebenberuflich ausgeführt.

Beizjagd in Zentralasien

Die Beizjagd wurde in einem Gebiet, das von der heutigen Türkei bis nach China reicht, intensiv gepflegt. Marco Polo, der sich im 13. Jahrhundert mutmaßlich am Hof des Kublai Khan aufhielt, berichtete, dass dieser mit 10.000 Falknern aufbrach, um in den Ebenen seines Reiches auf Wolf, Fuchs und Hase zu jagen[8]. Wenn diese Zahl auch wahrscheinlich übertrieben ist, so dürfte dem Hofstaat des Mongolenherrschers tatsächlich eine sehr große Zahl von Falknern angehört haben.

Die Beize mit dem Steinadler (russisch Berkut, Berkutschi = Adlermann) zu Pferde ist eine Jagdart zentralasiatischer Völker. Da die Adlerweibchen größer und stärker sind als die Männchen, werden sie als Beizvögel bevorzugt. Kirgisische und kasachische Falkner bevorzugen Steinadler aus dem Südural, da sie wegen ihrer Größe auch zur Wolfsjagd verwendet werden können.

Der Berkut packt die Wirbelsäule des Wolfes mit einem Fuß. Wenn der Wolf seinen Kopf wendet, um den Vogel zu beißen, greift der Adler mit dem anderen Fuß die Schnauze und kann so den Wolf bewegungsunfähig halten. Der Adler hält ihn so lange nieder, bis der Jäger kommt und das Tier tötet. Der Adler muss dabei sehr geschickt und schnell vorgehen, denn zu langsames oder falsches Greifen kann dazu führen, dass der Wolf den Fuß des Adlers erwischt und den Kampf für sich entscheidet. Jeder Krallenfuß des Adlers kann mit einer gehörigen Kraft zupacken, die es dem Vogel ermöglicht, mit den Krallen durch die Schädeldecke in den Kopf zu greifen.

Die Falknerei in Deutschland erfordert eine eingeschränkte Jägerprüfung (ohne Handhabung von Schußwaffen) und eine spezielle Falknerprüfung. Da die Beizjagd dem Jagdrecht unterliegt, bedarf es eines Falknerjagdscheins.[9]

Artenschutz

Falkner sind aufgrund des täglichen Umgangs und der Jagd mit dem eigenen Vogel auch Experten in der Pflege und Beurteilung verletzt aufgefundener Greifvögel. Sie können sehr gut einschätzen, ob ein solcher Greifvogel jemals wieder jagdtauglich sein wird und ob eine Chance auf Auswilderung besteht. Durch die falknerischen Techniken ist er auch in der Lage, einen gesundgepflegten Greifvogel erst einmal in der falknerischen Obhut "probefliegen" zu lassen, um zu testen, wie gut er sich erholt hat. Eine Freilassung ohne ausreichende Genesung würde unweigerlich den Tod des Vogels zur Folge haben. Mittlerweile betreiben sehr viele Falkner (oder Falkner-Gruppen) Auswilderungsstationen, in denen verletzte Greifvögel gesund gepflegt werden, damit sie wieder in die Freiheit entlassen werden können.

Die Beizjagd hat in früherer Zeit wesentlich zur Bestandsgefährdung der Falken beigetragen und tut dies zum Teil auch heute noch, da viele der dafür genutzten Vögel aus der Natur entnommen werden.

Heute gibt es Falkner, die aufgrund ihrer Erfahrungen im Umgang mit Greifvögeln als erste angefangen haben, die Falken und andere Greifvögel zu züchten. So ist es auch den Falknern und ihren Auswilderungsprogrammen zu verdanken, dass der Wanderfalke wieder zahlreich in der Natur vorkommt. 2004 wurde beispielsweise der 1000ste Wanderfalke vom Deutschen Falkenorden (DFO) ausgewildert, und auch das erste seit 30 Jahren in Dänemark brütende Wanderfalkenpaar stammt aus Auswilderungen des DFO (Weib, weiblicher Greif) bzw. aus einem schwedischen Projekt (Terzel; männlicher Greif), welches eng mit dem DFO zusammenarbeitet.